Giuliano geht seinen Weg (Teil 2)

In der Baufinanzierung

Ausbildung für Bankkaufleute in der Filiale heißt: In der Praxis nach und nach alle Bereiche kennenlernen, um einen kompletten Überblick über das Bankgeschäft und die Bankprodukte zu erhalten. Das gilt natürlich auch für Giuliano, der nach seiner Zeit im Privatkundengeschäft und im Private Banking seit Anfang September seine Durchlaufstation in der Baufinanzierung absolviert. „Das ist für mich besonders spannend, weil das ein Job ist, in dem der direkte Kundenkontakt nicht im Fokus steht. Das ist also ein Tätigkeitsfeld, das für mich auch eine Option nach der Ausbildung sein könnte.“

Trotzdem ist Giuliano der Start im neuen Team nicht ganz leicht gefallen. In der Baufinanzierung gibt es eine andere Teamstruktur als im Private Banking. Zum Beispiel ist das Team selten vollständig im Büro, weil immer einige Kolleg*innen im Home Office arbeiten. Es gibt mobile Arbeitsplätze, das heißt, acht Kolleg*innen teilen sich in wechselnden Besetzungen vier „Schreibtische“. Auch Giuliano hat also eine wechselnde Arbeitsumgebung. Im Private Banking ist er nach der Arbeit auch mal mit anderen Auszubildenden oder Kolleg*innen etwas essen gegangen, das ist im neuen Team nicht so ohne weiteres möglich.

Wäre es da nicht einfacher, wenn er ebenfalls von Zuhause aus arbeiten würde? Kann sein, aber Giuliano nimmt bewusst die weniger komfortable Situation in Kauf, inklusive der relativ weiten Anfahrt. „Ich habe das Gefühl, auf diese Weise mehr zu lernen und besser voranzukommen.“

Giuliano sitzt am Schreibtisch vor Laptops und Bildschirmen

Neue Herausforderungen und (meistens) auch Lösungen

Im Büroalltag wird Giuliano an drei Tagen in der Woche von einer – vom Landschaftsverband Rheinland finanzierten - Assistenz begleitet, die ihn unterstützt und ihm so das selbstständige Bearbeiten von Vorgängen ermöglicht. Dabei ist selbstverständlich sichergestellt, dass die bankspezifischen Policies und datenschutzrechtlichen Regeln streng beachtet werden.

Ein gutes Beispiel für die immer wieder neuen Herausforderungen, vor denen Giuliano steht, sind die in der Baufinanzierung zu bearbeitenden Excel-Dateien. Aufbau und Struktur sind leider nicht barrierefrei, aber zum Glück naht hier eine Lösung: Giuliano hat einen Antrag gestellt, damit er Zugang zu BaufiSmart erhält – das ist das zentrale Programm, mit dem in der Baufinanzierung gearbeitet wird, zu dem Auszubildende aber normalerweise keinen Zugang haben. Aufgrund der speziellen Situation kann hier aber vielleicht eine Ausnahme gemacht werden.

Kein Wunder also, dass Giuliano mitunter Zweifel hat, ob der Weg, den er gewählt hat, der richtige ist, aber dann siegt doch immer wieder sein Kampfgeist. Er hat die Sicherheit, dass die Bank ihn bestmöglich unterstützt, aber es sind eben doch immer wieder neue Hürden und neue Anläufe nötig, um den Arbeitsalltag zu gestalten.

Zwischenprüfung in Sicht

Im Lauf der Ausbildung werden die Praxisphasen kürzer und intensiver und ganz allmählich ist jetzt auch bereits die Zwischenprüfung im nächsten Frühjahr in Sichtweite. Seit diesem Jahr wird sie als gestreckte Abschlussprüfung durchgeführt, das heißt: Das Ergebnis zählt bereits für die Abschlussprüfung. Gründliche Vorbereitung und ein erhöhtes Lernpensum sind also in den nächsten Monaten angesagt. Giuliano steht hier vor den gleichen Herausforderungen wie alle Auszubildenen, aber eben noch verstärkt durch die spezifische Problematik, die die Berufsschule für ihn darstellt. Gerade ist er von Köln nach Mönchengladbach umgezogen und ist also tägliche hin und zurück je eine Stunde mit dem Zug unterwegs. Die Anfahrt zur Berufsschule im Kölner Süden ist ziemlich umständlich und dauert recht lange – das macht die Dinge nicht einfacher.

Berufsschulstoff und Themen werden – das kann jeder Bank-Azubi in dieser Phase nachvollziehen – umfangreicher und anspruchsvoller, und der vermittelte Stoff bezieht sich (leider) nicht immer auf die Themen, die dann auch in der Prüfung gefragt sind. Diagramme, Grafiken etc. muss Giuliano außerdem immer noch einmal nachbereiten, und das heißt: die visuellen Inhalte in Sprache „übersetzen“, um sie verarbeiten zu können. Er findet viel freundliches und hilfreiches Entgegenkommen und Verständnis bei Lehrer*innen und Mitschüler*innen – aber trotzdem sind auch hier täglicher Kampf und Durchhaltevermögen gefordert. „Ehrlich gesagt bin ich deutlich lieber in der Bank als in der Berufsschule“, sagt Giuliano – eine Aussage, bei der ihm sicher die meisten Auszubildenden beipflichten.

Unterstützung im Arbeitsalltag

Zum Glück gibt es auch viele kleine Erfolge, die ihn in seinem Fortschritt und in seiner Zuversicht stärken. Zum Beispiel hat die Bank einen Tisch-Scanner finanziert, der es Giuliano erleichtert, ohne große Umwege über verschiedene Kolleg*innen und Büros auf Dokumente zuzugreifen. Eine kleine Veränderung, aber für Giuliano ein echter Meilenstein. Noch weitreichender war die Unterstützung im Private Banking. Dort wurde das Kundenverwaltungssystem – mit nicht unerheblichem Aufwand - barrierefrei umgerüstet, so dass Giuliano selbstständig mit dem System arbeiten kann. Nebeneffekt: Auch Programmentwickler aus anderen Bereichen sind bereits auf Giuliano zugekommen, um sich Tipps für die barrierefreie Anpassung anderer Systeme geben zu lassen. Generell ist die Bank – so Giulianos Eindruck – jetzt noch stärker auf das Thema Barrierefreiheit fokussiert. Dazu tragen auch die anderen blinden oder sehbehinderten Kollegen bei, die in anderen Bereichen der Bank arbeiten, und mit denen Giuliano in Kontakt ist.

Ein Highlight war auch die virtuelle Veranstaltung zur Berufsorientierung, an der Giuliano kürzlich gemeinsam mit anderen Auszubildenden seines Jahrgangs teilgenommen hat. Dort haben sich verschiedene Bankbereiche vorgestellt, die sich nach der Ausbildung als mögliche Karrierewege anbieten. Ein interessanter und ermutigender Ausblick, der zusätzliche Motivation für die kommenden Monate gegeben hat.

Zwischenfazit nach dem ersten Jahr

Giuliano ist also weiter zuversichtlich, aber auch etwas nachdenklicher als zu Beginn seiner Ausbildung. Er ist stolz auf das, was er erreicht hat – aber er hat gelernt, dass während der Bankausbildung für ihn die Dinge nicht irgendwann alle geklärt sind und alles einfacher wird – es gibt immer neue Hürden, die auftauchen, und das Durchhaltevermögen ist täglich gefordert.

Nächstes Etappenziel ist jetzt die Zwischenprüfung und Giuliano arbeitet intensiv, um sie erfolgreich zu bestehen. Denn eines hat sich in den vergangenen Monaten nicht verändert: Eine Zukunft in der Bank mit einem Job, der seinen Fähigkeiten entspricht – das war und ist sein Traum.

Alle Daumen sind gedrückt!